Stadtchamäleons – Bodypainting für eine ganz besondere Location – Friedhof St. Johannis – 16. Projekt-Painting

Gestern war nun das vorletzte Bodypainting im Rahmen meines diesjährigen Sommerprojektes „Stadtchamäleons – Eine Symbiose von Mensch und Kultur“ . Und es blieb wieder einmal spannend, überraschend und eine wunderbare Erfahrung.

Ich war vor jedem der Paintings aufgeregt, denn ich hatte Zugang zu wunderbaren Locations, in Museen und Sehenswürdigkeiten. Ich durfte ganz nah an Kunstwerke heran und direkt in den Kulissen historischer Bauwerke painten und fotografieren. Das ist so schön und ich fühle mich geehrt und bin dankbar diese Möglichkeiten erhalten zu haben.

Gestern schwankten meine Gefühle vor dem Painting allerdings zwischen „Angespannt sein“, „Bedenken ob alles gut geht“ und absoluter Vorfreude.
Denn gestern ging es zum Fotografieren auf einen noch aktiven und den für mich außergewöhnlichsten Friedhof in Nürnberg – den Friedhof St. Johannis.

Der Friedhof St. Johannis ist etwas besonderes, denn dort befinden sich liegende Grabsteine aus vier Jahrhunderten. Er ist einer der bedeutendsten Begrabnisstätten Europas und steht unter strengem Denkmalschutz. Dort liegen unter anderem auch Albrecht Dürer und Hans Sachs begraben.

Da ich diesen Friedhof liebe, war es für mich selbstverständlich in der Planungsphase meines Projektes auch dort anzufragen, ob der Friedhof St. Johannis an meinem Projekt teilnehmen möchte.  Ehrlich gesagt erwartete ich nicht unbedingt eine Zusage, denn ein Friedhof ist doch ein besonderer Ort. Aber ich hoffte es doch.
Und es wunderte mich nicht, dass ich zuerst ein „wahrscheinlich Nein“ erhielt. Mit der nachvollziehbaren Begründung, dass dies eben eine sehr sensible Location ist, an welcher Menschen in Trauer sind, ihre Ruhe suchen und sich eventuell durch die Nacktheit eines Bodypaintings gestört fühlen könnten.

Aber die Dame von der Friedhofsverwaltung war offen und neugierig und fand das Projekt an sich gut und spannend, so dass es doch noch zu einem Telefonat kam. In diesem erklärte ich mein Projekt detaillierter und so kamen wir zu der Einigung, dass ich das Painting nicht vor Ort durchführen werde, aber auf dem Friedhof an ausgewählten Gräbern fotografieren darf. In weiteren Vorgesprächen suchten wir dann nach geeigneten Gräbern und Plätzen, welche ich mir in einem Plan markierte.

Gestern war es dann soweit. Ich hatte ein tolles Modell (Dagmar Habermeier) aus München, welches extra für dieses Projekt anreiste, obwohl wir noch am Abend zuvor nicht sicher wussten, ob das Wetter mitspielt. In den letzten Tagen, war der Wetterbericht ja nicht gerade sehr zuverlässig. Die Regenprognose änderte sich stündlich. Am Freitag Abend war dann Sonnenschein für den ganzen Samstag gemeldet, so dass wir es wagten.

Aufgeregt war ich aus zwei Gründen:
1) Wie werden die Menschen, die Besucher auf dem Friedhof reagieren, wenn ich dort mit einem Bodypaintingmodel arbeite und dieses fotografiere. Die Wahrscheinlichkeit auf Trauernde zu treffen ist dort nicht unbedingt klein. Und so gerne ich dieses Projekt durchführe, ich möchte auf keinen Fall piätetslos sein oder Menschen in ihrer Trauer pikieren, stören oder belästigen. Aus diesem Grund bekam mein Modell die Anweisung, das lange Mäntelchen geschlossen zu tragen bis wir am Ort der Fotografie sind und wenn Leute kommen diesen sofort wieder anzuziehen.

2) Habe ich mich bisher immer geweigert etwas für meine Paintings zu basteln oder bauen. Meine Devise bisher „Ich bin Maler“ und kein Maskenbildner oder Bastler. Ich liebe das Malen und komme vom Malen auf der Leinwand. Also wollte ich meine Kunstwerke nur durch Malerei erschaffen. Ohne Hilfsmittel bei denen ich „Dinge“ an meinem Model anklebe oder hinzufüge. Das bedeutet nicht, dass ich diese Arbeiten von anderen Künstlern nicht fantastisch oder nicht als Kunst empfinde. Es ist einfach nicht mein Ding.  Zumal ich beim Basteln auch nicht die Geduldigste bin. Außerdem sage ich immer, ich „hasse“ basteln. Für mein Projekt gestern hatte ich allerdings konkrete Vorstellungen. Auf einem Friedhof bietet sich nun mal ein Engel an. Und Engel haben Flügel. Punkt. Flügel zum Kaufen entsprachen aber so gar nicht meinen Geschmack. Sie waren häufig viel zu kitschig und nicht passend für das, was ich im Kopf hatte. Also blieb mir nichts anderes übrig als irgendwie Flügel zu erschaffen, die dann auch so aussehen wie ich es haben möchte – nein in diesem Fall darf ich sagen – wie ich es will. Und ein bisschen Stolz bin ich nun doch auf das Ergebnis meiner ersten Bastelaktion. Es geht für geübte Bastler bestimmt noch besser, aber ich mag meine Flügel so wie sie nun aussehen. Was keinesfall bedeutet, dass ich das Basteln an sich nun liebe.

Gepaintet haben wir dann bei mir zu Hause und sind anschließend mit dem Auto zum Friedhof gefahren.

Mein Model fiel aufgrund der Farbe im Gesicht und wegen dem langen Umhangs trotzdem oder gerade deswegen auf.  Am Anfang liefen wir noch besonders vorsichtig zu dem ersten ausgewählten Grab und bauten dort alles auf. Schräg gegenüber ,etwa 7 Gräber von uns entfernt, standen ca. 15 Menschen um ein Grab, das noch mit Blumen und Kränzen übersät war. Es sah nach einer frischen Trauergemeinschaft aus. Und so beschlossen wir uns hinzusetzen und abzuwarten, um nicht zu stören. Die Leute drehten sich um, um den Ort zu verlassen. Manche hatten uns vorher schon gesehen, manche erst jetzt. Obwohl wir versuchten möglichst unauffällig zu sein. Irgendwie war, das was dann folgte für mich sehr erstaunlich. Einige dieser Menschen kamen auf uns zu und fragten uns, was wir hier machen. Ich erklärte mein Projekt und diese Menschen sagten doch tatsächlich. „Sie hoffen dass sie uns nicht stören“. Dabei waren doch wir diejenigen, die nicht stören wollten. Schließlich standen sie alle um uns herum und fragten ob sie uns das fotografieren dürften. Als ich das bejahte zückten fast alle ihr Handy um „meinen Engel“ zu fotografieren, der nun extra für diese Menschen das Mäntelchen ausgezogen hatte und auf dem Grab posierte.

Natürlich hätte es sein können, dass wir auf Menschen treffen, die sich in ihrer Trauer durch uns belästigt fühlen. Aber wir begegneten an diesem Tag ausschließlich Menschen, die uns mit Begeisterung empfingen. Wir wurden ständig gefragt, was wir hier machen, was das für ein Projekt ist und die Menschen strahlten uns an. Sie freuten sich einen so schönen Engel zu treffen, einen lebenden Engel. Die Menschen gingen Umwege um uns nicht ins Bild zu laufen und ich habe keine Ahnung wie viele Handyfotos es nun von diesem Engel gibt.

Ich war froh, dass wir die Grabstätten zuvor ausgesucht und aufgesucht hatten. Aber trotzdem brachte mich der Friedhof zwischenzeitlich zur Verzweiflung, denn die Systematik auf diesem Friedhof ist natürlich gewachsen und hat somit nur eine begrenztes System. Dem Grab Nummer 919 folgt nicht unweigerlich Grab 920. Nein, da ist dann plötzlich Grab A1092. Manchmal suchten wir eine ganze Weile bis wir das fanden was wir suchten. Um dann festzustellen, dass die Sonne nun ungünstig steht und ich zu stark gegen das Licht fotografieren müsste oder der schöne große Baum alles mit seinem Schatten in Dunkelheit hüllt.

Um 16:45 läuft dann tatsächlich der „Friedhofswächter“ über den Friedhof und kündigt mit Glockengeläut an, dass der Friedhof nun bald geschlossen wird (17:00). Es ist nun also Zeit den Friedhof zu verlassen. Dieser Herr war über unsere Aktion ebenfalls informiert und wir kamen kurz ins Gespräch. Da das Licht zu diesem Zeitpunkt weich, golden und wunderschön war, gestattet er uns, unsere letzen Bilder noch zu beenden. Als der Friedhof dann geschlossen war, kam er zu uns und fragte ganz schüchtern, ob es möglich ist, dass ich ein Foto von ihm zusammen mit dem Engel machen kann. Das habe ich dann natürlich noch gemacht.  Und dann verließen auch wir diesen wunderbaren Ort mit einem sehr guten  Gefühl und voller Zufriedenheit.

Natürlich war ich neugierig und habe die Fotos sofort angesehen. und es fällt wie bei jeder Locations von diesem Projekt schwer, eine Auswahl zu treffen. Es gibt wieder so viele schöne Bilder. Und die Bilder in diesem Beitrag sind noch komplett  unbearbeitet (Außer dass das erste Bild in s/w umgewandelt wurde)
Da auch diese Location Teil meines Bodypaintingprojektes „Stadtchamäleons“ ist, wird auch von dieser Location ein Bild in den Kalender wandern. Das ist das einzige Bild von dem ich von Anfang an wusste, welchem Monat ich das Foto zuordne. Dieses Bild wird definitiv das Novemberbild werden.

Danke für diesen tollen Tag und Eure Unterstützung an

  • die Friedhofsverwaltung
  • meine Model Dagmar Habermeier (instagram: dagmarhabermeier)

 

Hier erfährst Du mehr über den Friedhof St. Johannis

Hier gibt es mehr Informationen zu meinem Projekt „Stadtchamäleons – Eine Symbiose von Mensch und Kultur“

Der Kalender kann bis zum 12.11. über mein Crowdfunding auf Startnext vorbestellt werden. Hier geht es direkt zur Kalender-Vorbestellung.