Never Ending Story – Corona-Sforthilfe und Agentur für Arbeit – Teil II

Tja, ich kann es ja kaum glauben. Immer wenn man denkt, man hat sich nun irgendwie mit der Situation abgefunden und versucht Lösungen zu finden, kommen neue Überraschungen daher. Diesmal, wieder einmal die Agentur für Arbeit.
Wie im Blog zur Corona-Soforthilfe beschrieben habe ich während meiner Tätigkeit als Solo-Selbstständige in die freiwillige Arbeitslosenversicherung einbezahlt. Aufgrund der Umstände, dass die Soforthilfe eine Vollselbstständigkeit verlangt und die Beantragung von ALG-I die Aufgabe genau dieser Selbstständigkeit impliziert hatte ich mich ja entschlossen keinen Antrag auf ALG zu stellen. Ich habe nun versucht mich allein über Wasser zu halten, was nicht wirklich einfach ist.

Aber ich hatte im Laufe meiner Selbstständigkeit bereits ausreichend in die freiwillige Arbeitslosenversicherung einbezahlt, um einen Anspruch von einem Jahr und drei Monaten zu haben. Ich weiß ja nicht, wie es weiter geht mit Corona und der Selbstständigkeit. Ich weiß nicht ob ich es schaffe die Verluste und Einnahmeausfälle zu deckeln und ob ich meine Selbstständigkeit tatsächlich erhalten kann. Was ich jedoch weiß, ist dass ich es versuchen möchte. Dabei ist mir wichtig zu wissen, dass wenn ich es nicht schaffen sollte (was ich nicht hoffe) weil eventuell eine zweite Corona-Welle im Herbst oder Winter kommt, oder weil sich die Auftragslage einfach nicht mehr erholt, dass ich meine Selbstständigkeit aufgeben kann und in ALG-I gehen könnte. (Als absolute Notlösung)

Tja, nun hatte ich im Rahmen der Coronakrise ja einen Ämtermarsch hinter mir, der seines gleichen sucht, unter anderem eben auch bei der Agentur für Arbeit.

Natürlich habe ich mich dort informiert wie die Sachlage ist und ob ich ALG-I beziehen könnte und zu welchen Bedingungen. (Ergebnisse und Bericht dazu im Teil I). Also habe ich der Agentur für Arbeit telefonisch mitgeteilt, dass all meine Einnahmen weggebrochen sind. Zugleich habe ich aber von Anfang an gesagt, dass ich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe, da ich zwar keine Einnahmen mehr habe, ich aber versuche möchte meine Tätigkeit umzustrukturieren und eventuell mehr Online auszurichten. Ich habe deutlich mitgeteilt, dass ich dafür wesentlich mehr Stunden arbeite als zuvor, da ich mich in alles selbst einarbeiten muss.

Der Mitarbeiter meinte ich solle doch eine Email an die Agentur schreiben, in der ich einfach nur die weggefallenen Einnahmen aufzählen solle und er würde mir einen Code zuschicken, mit dem ich auf den Antrag für ALG-I online Zugriff hätte. Auf meine explizite Anfrage, ob dies für mich irgendwelche Konsequenzen hätte, lautete die Antwort, solange ich keinen Antrag stelle, wäre dies vollkommen problemlos. Also willigte ich ein, dass er mir die entsprechenden Unterlagen zuschickt.

Gleichzeitig forderte ich noch weitere Informationen ein. Mir wurde versprochen, dass dies an die entsprechende Abteilung weiter geleitet wird und man sich mit mir in Verbindung setzen wird. Natürlich hat sich niemand mit mir in Verbindung gesetzt. Auch auf mehrmalige Nachfrage nicht.

Also hatte ich mich entschlossen keinerlei Antrag zu stellen.

Und was passiert dann???????? Unglaubliches.

Ich wurde aufgrund meiner Email, in der ich ja aufgefordert wurde nur meine Einnahmewegfälle zu nennen als nicht mehr Selbstständig eingestuft, denn nach Meinung der Agentur für Arbeit arbeite ich nun weniger als 15h/Woche.  Dieser Brief erreichte mich aber leider erst recht spät.  Ich arbeite aber wesentlich mehr als 15h/Wo nur verdiene ich nicht entsprechend.

Ich habe nie einen Antrag abgegeben und ich habe nie meine Selbstständigkeit aufgegeben. Nun habe ich Fehlzeiten in meiner Arbeitslosenversicherung, die bei einer tatsächlich notwendigen Inanspruchnahme zu einer Verminderung der Anspruchsdauer führen würden.
Ich hatte Widerspruch eingelegt, der sich aber als schwierig gestaltet. So kann man natürlich auch Geld sparen.

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Die Aussagen der Politiker in der Presse sind extrem werbewirksam. Sie lassen die Nichtbetroffenen glauben, es sei alles gut und es würde doch jedem geholfen werden. Aber das ist falsch. Mehr als falsch. Es ist frustrierend. Die Kunstszene und auch die Soloselbstständigen sind ein wesentlich größerer Anteil am Inlandsbruttosozialprodukt als häufig gedacht wird. Sie stehen kurz nach der Automobilindustrie. Zahlen durften wir unsere Steuern, unsere Abgaben und Gebühren, aber wir werden nun fallen gelassen.

Wir werden fallen gelassen, so sehr, dass man entweder in die Insolvenz geht oder versucht irgendwie durch zu kommen. Selbst wenn es bedeutet kaum noch Essen auf den Tisch stehen zu haben. Ich konnte mich wenige Wochen nur noch von Haferflocken, Kartoffeln und anderen ganz günstigen Lebensmitteln ernähren.

Und dann gibt es  die Lichtblicke in dieser Zeit. Wenn ein befreundetes Pärchen zu einem kommt. Da ich die beiden Sportheilpraktisch betreute ging ich davon aus, dass sie ein weiteres Kinesiologische Tape holen wollten. Also ging ich als sie mir mitteilten, dass sie vor der Tür seien, das Treppenhaus runter, um das kleine Päckchen zu übergeben und ich konnte es nicht glauben. Da standen vier volle Einkaufstaschen mit Lebensmittel vor meiner Tür. Ich habe mich noch nie so sehr über Essen gefreut. Und ich kann es nicht anders sagen, ich habe Rotz und Wasser geheult.  Ganze drei Wochen konnte ich mich davon ernähren.  Und das ist es was ich unglaublich finde, man lässt uns im wahrsten Sinne des  Wortes verhungern.

Eine Automobilindustrie, die in der Lage ist horrende Dividenden an Aktionäre aus zu bezahlen oder Kurzarbeitergeld auf 90 bis 100% aufzustocken erhält staatliche Förderungen. Hier spricht man von Zuschüssen für Autokäufe. Aber ehrlich gesagt, wer wird mit diesen Zuschüssen gefördert? Zum einen natürlich die Autoindustrie, aber zum anderen auch jener Teil der Gesellschaft, der sich sowieso trotz der Krise in einer exponierten Position befindet. Denn wer hat, selbst wenn er einen Zuschuss von viertausend Euro erhält, in der jetzigen Situation noch läppische 20.000€ oder mehr zur Verfügung, um eine neues Auto zu kaufen? Also ich hätte bei einem Zuschuss für ein neues Auto in Höhe von 4.000€ auch nur genau diese 4.000€ zur Verfügung.

Wobei ich dieses Geld lieber für meine noch offene Rechnung meiner Brille (da die Gläser kaputt waren), die ich kurz vor Corona bestellte, verwenden würde. Die Brille habe ich schon. Nur ist sie leider noch nicht bezahlt und ich bin sehr froh über das Verständnis meines Optikers. Aber irgendwann wird auch er sein Geld sehen wollen und da ich in dem Alter der Gleitsichtbrillen bin, weiß jeder, dass alleine die Gläser ohne Luxus nicht gerade günstig sind.

So sollten wir zuerst Soforthilfe beantragen. Wer Glück hatte bekam etwas, wer nicht eben nicht. Das wann lasse ich mal völlig außer betracht. Aber was durfte man mit der Soforthilfe? Man durfte Betriebskosten bezahlen. Na klar habe auch ich als kleine Soloselbstständige Betriebskosten (noch laufender Betriebskredit, Versicherungen usw.), aber im Vergleich zu Unternehmen mit großen Räumen z.B. ist es marginal. Wenn man denn dann tatsächlich Geld erhalten hat, dann wurde man in dem Schreiben auch gleich darauf hingewiesen, dass man sich unter bestimmten Bedingungen des Subventionsbetrugs strafbar macht. Der Rücküberweisungsschein war auch gleich dabei. Da aber keines der Ämter mit denen ich mich in Verbindung gesetzt hatte, anscheinend wusste, wie die Sachlage ist und ich überall unterschiedliche Informationen erhielt und auch die Bedingungen für die Antragsstellung mehrfach geändert wurden, stellt sich mir die Frage: Verdammt noch mal woher soll ich dann wissen, was richtig ist?

Mit de Eingang des Geldes auf dem Konto kann man dann als den betrieblichen Liquiditätsengpass beheben. Aber was ist denn nun mit dem privaten Liquiditätsengpass? Was ist mit meiner Miete, meiner Krankenversicherung, dem Essen?

Wenn ich nun aber Einnahmen generiere, um meine privaten Kosten zu decken, wird das wahrscheinlich meinen Betriebskosten zugeordnet. Damit ist mein Liquiditätsengpass nicht mehr ganz so eng und bei einer Überprüfung müsste ich dann auch die Differenz daraus an die Soforthilfe zurück bezahlen.  Aber dann kann ich wieder nicht meine privaten Kosten decken. Wenn ich Einnahmen generiere, müsste ich sie mindestens in der Höhe schaffen, wie zuvor, so dass ich davon Leben kann. Das ist aber unmöglich!

Wahrscheinlich ist man wirklich am besten dran, wenn man nichts macht, im ALG-II bleibt und wartet. Denn dann darf man die Soforthilfe behalten. Denn jeder der versucht zu arbeiten, sich umzustrukturieren, die Situation irgendwie zu handeln wird bestraft. Und meistens bedeutet dies, dass man mehr arbeitet als je zuvor für weniger bis hin zu keinem Geld. Eine Umstrukturiereng funktioniert nicht von heute auf morgen. Sie ist aber die einzige Chance als Selbstständige zu überleben.

Und dann kam die neue Soforthilfe für Künstler in Bayern. Die sich nun ebenfalls als Witz entpuppt. 1.000€ für drei Monate. Klingt gut, aber nun kommt der Haken.

Wenn man bereits Soforthilfe, und sei sie noch so klein, im Rahmen der ersten Soforthilfe erhalten hat ist man schon wieder aus diesem Programm heraus. In dieser Kunst-Soforthilfe scheint es aber möglich zu sein die Hilfe für die überlebensnotwendigen Lebenshaltungskosten zu verwenden während dies in der ersten Soforthilfe nicht möglich ist.

Aber wer hat allen Ernstes nicht versucht die Soforthilfe zu beantragen? Zumal auch gar nicht abzusehen war, wie es weiter geht, oder was noch kommt? Wie hätte man denn bisher ohne ALG oder Soforthilfe überhaupt überleben sollen?

Und nun bin ich wieder bei der gleichen Frage, wie bei der Problematik: ALG-I für das private Leben oder Soforthilfe für die Betriebskosten. Beides zusammen ist rechtlich nicht möglich. Und nun ist man wieder bei der selben Fragestellung: Möchte ich lieber meine betrieblichen Kosten decken oder lieber etwas essen?

Auch die Problematik meines zweiten Standbeine, die man als Künstler leider all zu oft benötigt, um überhaupt überleben zu können, erweist sich wieder als Hindernis.

Mit jeweils 50%/50% bei meinen beiden Standbeinen genüge ich sowieso schon wieder nicht den Regeln und Vorgaben für eine Inanspruchnahme.

Und es bleibt immer noch die Frage offen, was ist nach den drei Monaten? Es sind ja bereits Veranstaltungen bis Ende August abgesagt. Wie soll es denn in diesem Zeitraum funktionieren?

Die Sätze von Politikern erscheinen mir immer mehr als leere Luftblasen, als Versprechen ohne Inhalt und als traurige Offenbarung, was die kleinen Soloselbstständigen, die Kunst und all jene die keine große, laute Lobby haben in der Politik wert sind.

All das greift mich immer stärker an meiner Psyche und Physis an.

Und ein dickes Dankeschön, an all jene die mich auf welch Art und Weise bisher auch immer unterstützt haben und es auch noch tun.